Samstag, 9. Juli 2011

Erdbeben und Stromsparen

So, bisher kamen ja nur spärliche Informationen aus Fernost. Das soll sich jetzt ändern.

Vielleicht die zwei deutlichsten Unterschiede zu meinem letzten Aufenthalt von 2006 bis 2007 sind die Erdbeben und das Stromsparen (節電, setsuden).

Zunächst zu den Erdbeben: Seit ich hier angekommen bin, habe ich schon drei Erdbeben erlebt. Alle relativ schwach, aber das sind schon mehr, als ich in dem ganzen Jahr von 2006 bis 2007 hatte. Meine Bekannten und Arbeitskollegen hier haben mir allerdings versichert, dass es schon wieder besser geworden ist. Nach dem Starkbeben im März hat die Erde hier alle fünf bis zehn Minuten gebebt.
Aber keine Sorge, die Beben sind weder stark noch lang, nur das eine hat mich ein wenig erschreckt, weil ich so im Halbschlaf hörte, wie die Zimmertür ziemlich heftig klapperte...

Seit dem 1. Juli hat die Regierung generelles Stromsparen verordnet. Also die Klimaanlagen sollen auf 28 Grad gestellt werden (was immer noch, entgegen meiner Vermutung, eine ziemliche Erleichterung bringt), Lichter, die nicht gebraucht werden, sollen ausgeschaltet werden und so weiter.
Viele der Getränkeautomaten sind mit Hinweisschildern ausgestattet, auf denen steht "Trotz Stromsparmaßnahmen in Betrieb". Klar, wenn die Dinger nicht leuchten sehen sie nicht so aus, als könnte man dort etwas kaufen.

Auch am Institut sparen wir Strom: Die Lichter sind reduziert, die Klimaanlagen werden eher sparsam verwendet und so weiter. Da wir direkt neben der Sophia-Universität sind, quasi in einem Gebäude, das noch zur Uni gehört, werden wir alle paar Stunden mit einer Durchsage beglückt, die uns darauf hinweist, dass ab dem 1.7. die Regierung *blablabla*
Das ist einerseits lästig, weil es einen immer wieder aus dem Arbeitsfluss reißt (und man es nach spätestens einem Tag ja wirklich kapiert hat), andererseits schockt es auch meine Kollegen zum Teil, weil auch Katastrophenwarnungen mit demselben Stil durchgegeben werden.

Es sind auch viele Leuchtreklamen ausgeschaltet, so dass Shibuya, Shinjuku und die anderen Zentren Tokios nicht mehr ganz so hell strahlen wie erwartet. Einen kleinen Überblick bekommt ihr in diesem Video:

Man versucht, das Beste daraus zu machen: Lasst die Lichter aus und die Sterne über Tokio leuchten!

Irgendwie trifft mich das. Ja, diese extreme Beleuchtung ist verschwenderisch, war sie immer schon, und überflüssig sowieso. Und doch... Der Umgang vieler Japaner mit Technologie hat so etwas wunderschön verspieltes. So leicht und experimentierfreudig, ohne scheu vor technischen Neuerungen. Ausgerechnet diese Menschen müssen jetzt feststellen, dass die Technologie ihnen auch wehtun kann.

Vielleicht eine wichtige Lektion, die gelernt wird. Vielleicht ein Wermutstropfen im Verhältnis der Menschen zu Technik. Schwer zu beurteilen. Aber woher kommt meine Traurigkeit, wenn ich diese Bilder sehe?

Es sind noch immer nur 19 Reaktoren am Netz. Die anderen sollten einem Stresstest unterzogen werden, der sich stetig weiter verzögert. Ein Ende der Stromkrise ist also vorerst nicht abzusehen, was bereits zu starken innenpolitischen Verwerfungen führt. Wenn man in den Nachrichten die neuesten Zahlen zur Auslastung der Kraftwerke und zum maximalen Energieverbrauch in Kilowatt hört, spürt man, wie ernst die Lage ist.

Auch wenn es sicherlich ein wenig komisch klingt: Mein Stipendium hier anzutreten und meine Forschungen weiter voranzutreiben war auch davon motiviert, dieses Land jetzt nicht alleine zu lassen. Dazu liebe ich es viel zu sehr...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen