Donnerstag, 22. September 2011

Nachgereicht zum Zweiten


Und hier schon der nächste Beitrag! Ja, ich hab wieder ein paar Bilder fertig, diesmal werden es viele. Aber ohne die Bilder wäre es nicht sinnvoll gewesen, das hier zu schreiben.

Am letzten Montag war ich mit ein paar Kolleginnen auf einer Anti-Atomenergie-Demo hier in Tokio unter dem Motto "Sayonara, Genpatsu!" (Auf Wiedersehen, Atomkraft!). Alles in allem waren an diesem Tag in ganz Japan 60.000 Menschen auf der Strasse.

Klingt nicht nach so wahnsinnig viel, aber wenn man bedenkt,dass es in Japan keine mit Deutschland vergleichbare Protestkultur gibt, dann ist das immer noch recht viel.

Erst waren Kundgebungen an einem zentralen Platz im Zentrum Tokios, danach zogen die Menschen in drei getrennten Zügen einmal durch die Innenstadt. Auf dem zentralen Kundgebungsplatz sprach mich ein Japaner auf Englisch an, woher ich denn käme. Aus Deutschland, sagte ich, und er schien richtig gerührt zu sein. Dann sagte er: "Zeigen Sie den Menschen, dass es diese Bewegung in Japan gibt!".

Diesem Auftrag komme ich hiermit nach... und es ist mir eine Freude!

Hier fanden die Kundgebungen statt und die Leute sammelten sich. Das war gegen 13 Uhr, es war ein Feiertag, und auch das Wetter entschied sich, zu halten. Tja, wir waren nicht allein an diesem Tag...

Die Menschen vor Ort waren aus fast allen Alters- und Gesellschaftsschichten. Viele Demonstranden hatten sich kostümiert oder den Protest direkt auf ihrer Kleidung getragen. Auch die hohen, rechteckigen Flaggen waren überall. Farblich und inhaltlich sehr unterschiedlich, identifizierten sich die einzelnen Gruppen über diese Flaggen.

Auch hier wieder ein buntes Gewimmel... aber die Botschaft war eindeutig: Es reicht mit der Atomkraft! Diese Botschaft wurde auf verschiedenste Art und Weise kommuniziert an diesem Tag...

Zum Beispiel mit diesem selbstgebastelten kleinen Fukushima-Reaktor. "Bitte, tragt mich schnell zu Grabe!" steht darauf. Das ist doppeldeutig: Nicht nur ist die Ruine immer noch nicht versiegelt, auch die Technologie als solche ist ja noch nicht erledigt.


Nach dem Unglück gab die Regierung die Losung "Ganbare Nihon!" ("Durchhalten, Japan!") aus, als Zeichen der Solidarität. Er hier sieht es anders: "Wenn DAS das Japan ist, das sich anstrengt, dann sollten wir es vielleicht mal mit einem Japan versuchen, das sich NICHT anstrengt!"


"Die Kernenergie sollten wir der Sonne überlassen!" steht auf diesem Plakat. Auch hier ist wieder alles selbst gebastelt. Die japanischen Aktivistinnen und Aktivisten sind da mit großer Kreativität zu Werke gegangen.

Die Forderungen sind vielfältig und konkret: "Befreit die Energie! Zerschlagt Tepco!" steht auf diesem Schild. Wieso allerdings ein gefesseltes Mädchen auf einer Grillplatte abgebildet ist, das obendrein noch "Entschuldigung!" ruft, weiß wohl nur der Aktivist.

"Nicht in die Kernenergie einsteigen!" lautet das Motto hier. Das war auch einer der Hauptslogans der Demonstration. Das besondere: Eigentlich steht da nicht das Verb "iranai", sondern "inyai". "Miau" heißt auf Japanisch "nya", es ist, als würde die Katze in ihrer Sprache dieselbe Forderung erheben.

In Japan demonstriert man anders... soviel wusste ich. Aber das lediglich eine Spur der Straße gesperrt wurde, die noch dazu auch nicht breiter als der Bürgersteig gewesen wäre, das hat mich dann doch überrascht. An den Ampeln wurde der Verkehr von Polizisten geregelt, die die Demonstranden gruppenweise über die Kreuzung lotsten, und immer wieder die Autos zwischendurch fahren ließen. Sehr merkwürdig, aber hier läuft eben alles in geordneten Bahnen ab.

"Ich komme aus Fukushima", lässt uns der Demonstrand vor uns wissen. Und während er sich für das Ende der Atomenergie einsetzt, gehen die Leute links auf dem Bürgersteig weiter ihrer Beschäftigung nach: Shoppen. So dicht liegen manchmal die Welten zusammen.

Clowns sind seit einiger Zeit von keiner Demo mehr wegzudenken. Wenn ich das richtig sehe, ist das eigentlich als eine Art alternativer Vermummung gedacht gewesen von den Linken, weil man sich so relativ unkenntlich machen kann, ohne sofort aus der Menge gezogen zu werden. Hier hat das aber einen anderen Hintergrund, das sind echte, ausgebildete Clowns, die sich dem Protest angeschlossen haben. Dieses Thema bewegt wirklich die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten.

Ein paar Anmerkungen


Diese Bilder sind so gut wie nicht bearbeitet, ich wollte den Demonstranden so viel Authentizität wie möglich lassen. Auch wenn ich mich mit ihren Zielen identifizieren kann, bin ich doch nur ein Beobachter. Aber ich habe doch die Pflicht, die Botschaft weiter zu tragen, gerade weil in Japan oft nur dann etwas passiert, wenn genug Aufmerksamkeit aus dem Ausland vorhanden ist.

Das hier ist mein Versuch, dem Protest ein Gesicht zu geben, damit es auch in der Ferne direkter erleb- und erfahrbar wird. Die japanische Gesellschaft ist immer noch schwer getroffen, und noch immer ist unklar, wie diese Sache ausgehen wird.

Die Atomenergie ist hier de facto noch alternativlos, es gibt einfach nichts anderes, womit man die Energie erzeugen könnte. Anders als in Deutschland, zum Beispiel. Aber ich hoffe das Beste, wie immer.

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