Freitag, 16. Dezember 2011

Ise

Eine Tour zur Sonnengöttin


Letzte Woche haben wir mit dem Institut einen Betriebsausflug an den Ise-Schrein unternommen. Eine typisch japanische Zwei-Tages-Reise, in einer Gruppe aus ingesamt zehn Personen. Acht davon waren vom Institut, unsere Reisebegleiter waren vom Shintô-Amt, dem Jinja-Honchô (Schrein-Hauptamt). Die verwalten die ca. 80.000 Schreine in ganz Japan, ziemlich beschäftigt müssen die sein damit!

Aber ich glaube, ich muss ein bisschen mehr erzählen... Damit es nicht zu langweilig und anstrengend wird, teile ich diesen Artikel auf und lade auch immer ein paar Bilder hoch dazu. Es wird nicht ganz so viele Teile geben, aber betrachtet es doch als eine Art Adventskalender!

Der Shintô, eine der ältesten Glaubensformen der Welt


Der Ise-Schrein hat eine beinahe 2000 Jahre alte Geschichte. Das heißt, an ebendieser Stelle, mitten in einem uralten Wald aus riesigen, dicken Hinoki-Bäumen (eine Zypressen-Art), befinden sich, eigentlich seit Menschengedenken, diese Bauwerke.

Früher Morgen im
Zypressenwald am
inneren Schrein (Naikû)
Im Ise-Schrein wird, neben einigen anderen Kami (übernatürlichen, gottähnlichen Wesen) auch Amaterasu angebetet, die Sonnengöttin. Amaterasu ist eine der wenigen Shintô-Figuren, die tatsächlich eine überlieferte und bildlich dargestellte Form hat, und sie gehört zu den Ursprungsgöttern, die in den allerersten Schöpfungsmythen Japans erwähnt werden.

Der Ise-Schrein ist der Hauptschrein des Shintô, sozusagen das Zentrum der spirituellen Welt Japans. Regelmäßig wird er auch von Vertretern der kaiserlichen Familie besucht, und einige der Priester und Priesterinnen, die dem Schrein vorstehen, kamen aus dem Kaiserhaus.

Das liegt daran, dass die Kaiserfamilie, so der Glaube, direkt von den Schöpfungsgöttern, zu denen auch Amaterasu gehört, abstammt. Alle Japaner stammen letztlich von den Kami ab, weshalb Japan in diesem Glauben eine ganz besondere Rolle in der Welt spielt.

Der Staats-Shintô der Meiji-Zeit


In der Meiji-Zeit, also von 1868-1926, erlebte Japan eine rasend schnelle Modernisierung. Der Druck der westlichen Kolonial- und Industriemächte war immens, und Japans Regierung sah nur einen Weg, die eigene Unabhängigkeit zu erlangen: So schnell wie möglich musste das westliche Wissen aufgenommen und für Japan nutzbar gemacht werden.

Japan musste eine Großmacht werden, oder es würde untergehen.

Göttlicher Segen und weltliche Macht:
Steinlaterne im Morgengrauen in Ise.
Während Japan also nach Kräften versuchte, die industrielle Revolution in nur wenigen Dekaden nachzuholen, eine moderne Armee aufzubauen, das Bildungssystem zu erneuern, Medizin, Technik, Recht und Politik auf die Höhe der Zeit zu bringen, drohte allerdings, Japans Identität unterzugehen.

Also begann eine, nicht weniger fieberhafte, Suche nach der "wahren Identität" Japans und seiner Bewohner. Im Prinzip wollte man dem westlichen Nationalismus und Christentum etwas entgegensetzen, etwas, das "rein japanisch" war. Diese Rolle sollte der Shintô erfüllen.

Der Tennô veranlasste also zunächst eine strikte Trennung von Shintô und Buddhismus, was bis heute dazu führt, dass es "Tempel" (buddhistisch) und "Schreine" (shintoistisch) gibt. Gleichzeitig wurde die Göttlichkeit des Tennô, und damit aller Japaner, immer stärker betont, so dass eine religiös-ideologische Legitimation des Vormachtsanspruchs Japans in Asien geschaffen wurde.

Danach trudelte Japan immer schneller, zusammen mit dem Rest der Welt, in den Nationalismus und damit auch in den zweiten Weltkrieg hinein. Diese Geschichte endet dann vorläufig mit Hiroshima und Nagasaki.

Soviel für heute... Am Sonntag kommt der nächste Teil.

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