Samstag, 5. November 2011

Nikko reloaded


Vor ungefähr acht Jahren war ich schon einmal dort: Oben in Nikko, knapp zwei Stunden entfernt von Tokio. Dort, mitten in den bergigen Wäldern, liegen die Gräber der Tokugawa-Shogune, jener Familie, die aus Japan letztlich das Reich der Samurai gemacht haben.

In luxuriuösem Pomp begraben, umgeben von uralten, hohen Bäumen, ruhen sie dort. Die Tempel und Schreine darumherum sind nach wie vor erhalten, leider werden sie gerade eine massiven Restauration unterzogen, so dass momentan einige der Gebäude eingehüllt sind. Die Rekonstruktion wird alles in allem knapp zehn Jahre dauern, wenn nicht länger.

Schon damals habe ich dort eingie der schönsten Bilder meines Japanaufenthaltes gemacht, und ich möchte euch gerne an dem kleinen Ausflug in Japans Vergangenheit teilhaben lassen.

Die Holzschnitzereien in den Wänden zwischen den einzelnen Schreinen und Tempeln sind außergewöhnlich schön. Vor allem die Blautöne sind immer noch kraftvoll und dunkel, wie Lapislazuli. Eine solche Pracht findet man sonst an japanischen Schreinen selten, Nikko ist selbst einigen Japanern zu bunt und grell.

Shishi heißen diese Kreaturen. Sie sind eine Mischung aus Hunden und Löwen und werden in allen möglichen Formen als Wächter dargestellt. In diesem Fall an einer Säule.

Dieser zornige Geselle ist einer der Schutzgottheiten des Tempels. Solche Statuen findet man oft an Toren und Eingängen, sie bewachen also das Tempel- oder Schreinareal und schützen vor bösen Geistern. Schwer vorstellbar, dass es sich hier nicht um einen solchen handelt, bei dem grimmigen Ausdruck...
Es gibt zahlreiche, manche meinen zahllose, dämonenartige Kreaturen in der japanischen Mythologie. Die meisten davon entstammen dem Buddhismus, einer Religion, die uns in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität fremder ist, als man glauben könnte.

Diese Gebäude gehören zu einem etwas abgelegenen Teil der Anlage, die auch in der Saison längst nicht so überlaufen ist wie der berühmtere vordere Teil. Hier hinten hatten wir tatsächlich Ruhe und Muße. Umgeben von massiven Bäumen war alles ganz still. Die Hektik der Welt hatten wir hinter uns gelassen und es schien, als würden die Uhren langsamer gehen.
Ich bin doch ein hoffnungsloser Romantiker, glaube ich. Mein Japanbild ist wirklich entscheidend von solchen Orten und Gefühlen geprägt, auch wenn das mittlerweile so weit weg ist wie das Mittelalter in Deutschland... und das hat ja auch keinen wirklichen Bezug mehr zur Gegenwart. Ein wenig Eskapismus ist manchmal einfach nicht zu vermeiden.

Eine solche Schönheit, einfach in die Landschaft gestellt, um einen heiligen Ort zu markieren. Eine Wand, die keine Funktion außer einer symbolischen Teilung und Ordnung des Raums hat. Mit den Durchbrüchen, farblich akzentuiert und verziert, harmonisch in sich geschlossen. Nicht aufdringlich, einfach da, und schön anzusehen außerdem.

Der Drache ist überhaupt überall in Nikko: Als Gemälde an Decken, als Holzschnitzerei, als Figur an Wasserbrunnen...
In einer der Tempelhallen ist auch so ein Gemälde an der Decke. Schlägt man an einer bestimmten Stelle zwei Hölzer aufeinander, so hallt der Schlag vielfach nach: Das Brüllen des Drachen!

An diesem Brunnen wäscht man sich die Hände und den Mund aus, bevor man die eigentlichen Schreinanlagen betritt. Überall findet sich an diesem Brunnen (sowie an den meisten anderen Gebäuden) das Familienwappen der Tokugawa-Familie: Drei Ginkgo-Blätter, umgeben von einem Kreis.

Zwei spielende Shishi. Diese Kreaturen sind wirklich spannend, und je länger und öfter ich mir solche Darstellungen ansehe, desto mehr weiß ich diese Ästhetik zu schätzen. Es ist wie eine Reminiszenz an eine untergegangen Welt, die man sich in seiner Phantasie so viel schöner und erstrebenswerter ausmalen darf, wie die Gegenwart... auch wenn es natürlich auch nicht wirklich besser war.

Pfauen und Blumen. Wieder diese wunderbaren, intensiven Blautöne. Wie konnten die mir beim ersten Besuch entgehen? Blau ist meine Lieblingsfarbe. Und die Geschichte, die diese Objekte atmen... Hier ruhen die Herrscher, die Japan geeint haben. Die es verwaltet und beherrscht haben, in einer der längsten Friedensphasen, die dieses Land je gesehen haben. Hier ruhen die ersten der Samurai.

1 Kommentar:

  1. Danke Thomas, du schaffst es auf sehr schöne Art und Weise uns ein Land sehr nahe zu bringen.
    Liebe Grüße aus dem vorweihnachtlichen Melle.
    Bianca

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